Es herrscht eine gelassene Stimmung in dem Holzhaus.
Im Fernseher läuft ein japanischer Anime-Cartoon. Klappernd quirlt der Ventilator die immer noch heiße Luft um. Während die meisten auf dem nackten Betonboden sitzen, hat es Shireens Schwager sich in einem durchhängenden Sessel bequem gemacht und zieht an seiner Zigarette. Immer wieder schaut Shireen oder ein anderer erwartungsvoll auf die Uhr. Die Finsternis der Nacht ist mittlerweile über das Kampung (Dorf) und die umliegenden Ölpalmplantagen hereingefallen. Um das chinesische Neujahr mitzuerleben lebe ich eine Woche lang bei einer dreiköpfigen chinesischen Familie. Wir bewohnen das primitive Holzhaus von Shireens Eltern, welches sich in einem küstennahen Dorf in Perak befindet. Fließend Wasser gibt es hier nicht, es wird aus dem hauseigenen Brunnen in einen Tank gepumpt. Ab und zu fällt der Strom aus.
Shireen bedeutet mir und den anderen Jugendlichen zum Dorfplatz mitzukommen. Gerade rechtzeitig können wir uns einen guten Platz in der Menschenmenge sichern, um den Lion Dance zu bewundern. Jeweils zwei Männer tragen ein rotes Löwenkostüm und führen akrobatische Kunststücke vor. Der Musiker schlägt immer schneller und wilder auf die bauchige Trommel ein. Die Artisten springen sich gegenseitig auf die Schultern, sodass die Löwen riesig groß erscheinen. Dann schwingt eine lange Schnur, besetzt mit abertausenden Chinaböllern zwischen die Köpfe der Löwen. Ein junger Mann schreitet aus der Menge, entzündet die Leine und entfernt sich rasch. Das Publikum weicht mehrere Schritte zurück. Bei ohrenbetäubendem Lärm tanzen die Löwen wild herum bis der letzte Knaller explodiert ist. Die Menschenmenge löst sich rasch auf.
Halb taub schaue ich mir eine Weile den Gesangswettbewerb im Gemeindehaus an. Es ist kurz vor Mitternacht. Im Freien werden mehrere großformatige Papierballons auseinander gefaltet. Dann darf man die Ballonhülle signieren, bevor sie angezündet werden und in den sternenklaren Himmel aufsteigen. In einiger Höhe zünden mehrere Leuchtkörper.
Chinesisches neues Jahr. Das Jahr des Schweins. Alle umarmen sich und wünschen sich ein erfolgreiches neues Jahr: Gong Xi Fa Chai! Dann bestaunen wir das Feuerwerk. Am nächsten Morgen bietet mir Shireens Schwager an, mit ihm Muscheln zu sammeln. Unüberlegt willige ich ein. Tiefer und tiefer sinke ich in den grauen, lauwarmen Schlamm des Meeresarms ein.
Im Anblick meines ekelerfüllten Gesichtsausdrucks lachen Shireen und die anderen. Der Mann mit dem Glasauge zeigt mir, wie ich die Muscheln finde und schließlich trägt auch meine Suche Früchte. Das Mittagessen ist gesichert.
Das Dorffest ist in vollem Gange. Die Flut hat einen kleinen Pool am Rande des Meerarms mit grauem Schlammwasser gefüllt. Kinder und Jugendliche versuchen sich von einem Holzstamm ins Wasser zu stoßen. Die Stimmung ist ausgelassen. Bei einem anderen Spiel tragen die Teilnehmer lebende, glitschige Welse über eine bestimmte Distanz. Endlich ist mein Spiel an der Reihe. Mit anderen Teilnehmern steige ich in den Pool. Das begeisterte Publikum wirft nach einander etwa 30 lebendige Enten in den Pool. Ich hechte nach dem Vieh und trage meine Beute zum Ufer, wo Shireen sie in Empfang nimmt.
Der Spaß ist vorbei. Stolz trage ich die vier Enten nach Hause.
Chinese New Year
Samstag, 17. Februar 2007